Seidenstrasse – Teil 1 Bamberg bis Kirgistan

Wer nur weit genug reist, der trifft vielleicht am Ende auf sich selbst..

Die Idee

3 Male schon standen wir da und schauten nach Osten: Am Stacheldrahtzaun der Osttürkei mussten wir aber bisher jedes Mal abdrehen. Dahinter lag die Sovietunion und der Iran.

Jahre später durchdrangen wir die Grenze erstmalig in die ehemalige Sovietrepublik Georgien. 2012 kehrten wir dorthin zurück und loteten erneut unsere äußersten Grenzen aus. Das nächste Mal wollten wir weiter, viel weiter, nach Zentralasien eindringen.

So entstand das Projekt Seidenstrasse. Dieses Jahr soll es endlich so weit sein. Ein neuer Landrover ist gekauft und wird umgebaut, die Reiseliteratur liegt vor uns und wird durchgearbeitet, die Logistik in Gang gesetzt.

Und wenn alles klappt, dann geht es am 01.08. los. Wer gerne möchte, verfolgt in diesem Blog unsere Vorbereitungen und unsere Reise.

Pässe, Visa, Zoll

Iran, Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan; vier Länder mit Visabestimmungen, Regeln zur Registreierung, Zollformalitäten für das Auto,…

Iran: Touristenvisum für 2 Einreisen bedeutet Pflicht eines iranischen Kennzeichens; laut Infos aus Foren ist das wohl am besten in Täbriz zu bekommen. Dieselfahrzeuge dürfen manchmal gar nicht einreisen, dann doch wieder. Diesel kostet nur 5 cent, aber nur auf Bezugskarte, die man aber nicht oder nur für teuer bekommt. Lösung voraussichtlich: Long-Range-Tank
Turkmenistan: Touruistenvisum nur mit Führer, Transitvisum für 48h aber möglich, also nix wie durch. Auch hier gefordert: double entry.
Usbekistan: Kein Problem mit Visabestellung, dafür muss man sich in Usbekistan registrieren, wenn man länger als 3 Tage an einem Platz ist. Sehr aufwändig und am besten in einem Hotel möglich, das die Registrierung übernimmt. Damit fällt aber Camping flach… Double entry!
Blöd auch, dass man in Usbekistan selbst mit dem LKW Gas fährt und nicht Diesel. Selbst bei Longrange Tank wäre jetzt schon tanken mal wieder ganz schön.
Tadjikistan: Visum wohl nicht schwierig, aber: 1. Grenzübergang zwischen Samarkand und Dushanbe gesperrt, weil die beiden sich nicht mögen. Also 200 km Umweg einplanen bis zum nächsten. 2. Extra Permit für den Pamir erforderlich, das man dann auch extra bezahlen darf.
Und was, wenn der Pamirhighway zugemacht wird (Wetter, Erdrutsch, Konflikte)? Dann müsste man über Kirgisistan ausreisen und dann im Flachland nach Tadschikistan zurück – aber: dafür braucht man – genau! – ein Double Entry Visum.

Summa summarum: ohne professionellen Visumservice fangen wir besser gar nicht erst an.

Textaufgabe für Knobelfüchse

Knobelaufgaben sind eine feine Sache. Das Schönste daran ist, dass es immer Menschen gibt, die die Lösung finden. Stellt euch also folgende ‚Textaufgabe‘ vor:

2 Personen mit einem Landrover möchten in einem Zeitraum von 8 Wochen 14 Länder durchqueren – kurz: auf der Seidenstraße reisen. Die erste Route über die Ukraine (Donezk) wird schnell fallen gelassen, nachdem seit letztem Jahr die ganze Welt genau weiß, wo Donezk liegt. Also über Helsinki und St. Petersburg durch Russland hindurch. (Gehen wir mal davon aus, dass sich die Russen auf unseren Besuch freuen.) Russland möchte für die Ausstellung eines Transitvisums vorab das Visum des Folgestaates im Pass sehen. Das wäre Kasachstan. Kasachstan ist bis zum 31. Juli visafrei – nur dumm, dass wir erst am 1. August losfahren. Wie es nach dem 31.Juli aussieht, kann uns im Moment niemand sagen. Weiter geht’s mit Uzbekistan und anschließend Tadschikistan. Scheint eigentlich problemlos zu sein, nur muss man wiederum bedenken, dass Turkmenistan sehr streng in der Visa-Handhabung ist. Auch hier brauchen wir wieder das Herkunftsland- sowie das Folgeland-Visa im Pass. Naja, alles ein Klaks im Vergleich zum Iran. Eigentlich wollten wir zwei Mal durch den Iran fahren, aber es ist keine zweimalige Einreise erlaubt und man muss auch wieder die Herkunfts- und Folge-Visa vorab im Pass vorweisen. Naja, wenn Iran nur einmalig geht, dann fahren wir halt über Georgien, das ist im Moment sogar visafrei! Wie praktisch! Also geschenkt! Vielleicht fahren wir dann über Groznj – kommt einem auch so bekannt vor, oder? Mal so zwischenrein an die Knobelfreaks gefragt: Bei welchem Land sollten wir nun eigentlich das erste Visum stellen?

Im Iran brauchen wir ein ‚Carnet de Passage‘ für unser Auto. Kein Thema: Man muss halt ca. 30 Blatt Dokumente ausfüllen, damit zur Bank gehen und eine Bürgschaft in Höhe des Autopreises beantragen. Die Bank hat mit solchen Summen natürlich keine Probleme und verlangt für die Bürgschaft auch keinerlei Sicherheiten, oder? – Aber die iranische ‚Visabehörde‘ sollte davon nicht unbedingt Wind bekommen, denn dann – so sagt man – bekommt man einen Auto-Guide. Das ist ein treuer Begleiter, der einem auf der Reise ganz genau sagt, wo es im Iran lang geht. Auch schön, dann braucht man keinen Reiseführer mehr lesen und muss sich gar keine Gedanken mehr machen. (Außer natürlich, dass ich als Frau einen Kurs besuchen werde zum Thema ‚Kleiderordnung im Iran für Frauen leicht gemacht!‘). Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, im Iran. Offen ist im Moment auch noch die Frage, ob wir ein iranisches Kennzeichen brauchen und wo wir uns das ausstellen lassen können. Aber dies ist eine andere Geschichte. – Wenn man mal bedenkt, dass wir für die Visabearbeitung im Länder-Durchschnitt ca. 4-6 Wochen veranschlagen, aber jedes Visum erst 3 Monate vor Reiseantritt beantragt werden kann, dann kann jeder Rechenfuchs schnell überschlagen, wann wir mit unserer Jagd nach den Stempeln im Pass beginnen müssen. Richtig kombiniert: Das funktioniert zeitlich nämlich gar nicht! Also fragen wir halt mal bei den Länder-Behörden nach, ob wir auch schon jetzt, 5 Monate vor Reisebeginn, mit dem Papierkram beginnen können, Fragen kostet ja nix! Auf 5 Anfragen bei den entsprechenden Konsulaten/Botschaften hat zumindest die Tadschikische Botschaft geantwortet. Unser Dank geht an dieser Stelle schonmal an den Herrn Konsul! (Telefonleitungen der anderen Botschaften erscheinen ziemlich überflüssig, weil sie meist geschont werden.)

Und hier kommt ein genialer Schachzug ins Spiel: die Zweit-Reisepass-Beantragung bei der freundlichen Dame in Bamberg im Zimmer im 2. Stock. Mir war sofort klar, dass das Personalmanagement der Stadt Bamberg genial durchdacht ist, denn im offenen Publikumsverkehr der Stadtverwaltung hätte die Dame ihre Trümpfe lange nicht so ausspielen können.

Nun sind wir stolze Besitzer eines Zweitpasses. Alles entspannt! Und jetzt? Erstmal ein Treffen mit der Agentur ‚Visawelt‘ in Berlin! Das Team dort kann nämlich zaubern! Alles wird gut!

Da isser nu …

Nach mehrmontigem Umbau auf der Basis eines Landrover Defender TD4 2,2 BJ 2013, den wir als Jahreswagen gekauft haben, ist er bereit für die Reise.

Unser Fahrzeug

Die Umbauten:

  • Hohlraumkonservierung (Mike Sanders) und Unterbodenschutz auf Wachsbasis
  • Hecktraverse mit Anhängerkupplung
  • Lichtkabelsatz mit Relaissteuerung
  • Fernscheinwerfer für den Dachträger
  • Recarositze vorne beidseits
  • Übernahme des Innenausbaus aus unserem alten LR
  • Kotflügel und Motorhauben mit Aluriffelblech begehbar gemacht
  • Extec- Dachträger plus Ersatzradaufnahme fürs Dach
  • Zusatztanks unterflurig mit eigenen Füllstutzen und Umpumpanlage mit 110L Kapazität
  • Unterbodenschutz (Bodenplatte), Differenzialschutz und Lenkstangenschutz
  • Laptophalter mit Gelenken und Grundplatte
  • Pokini Tab A8: Ruggedized Windows Tablet inkl. GPS, GLONASS, LTE mit QuoVadis V7 Power User

Tenge, Manat oder Somoni?

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tuerkei Währung
Rubel
manatt
Tajikistan_500_somoni_front_web
Som
Tenge

Ob das Team von Visawelt zaubern kann, wird sich noch herausstellen. Nun sind 3 Monate vergangen und wir hängen immer noch im Visa-OFF! Ein einziges Visa (Usbekistan) ist letzte Woche gekommen. Es fehlen aber noch Russland, Kasachstan, Turkmenistan, Iran! Falls alle Stricke reißen, überlegen wir im Moment Plan B: Einen Reisepass in Deutschland lassen, der dann mit Kurier nachkommt …. Ach, es wird schon klappen! Ich spreche einfach geschwind ein paar Mantras!

Mittlerweile haben wir uns auch intensivst mit den Zollbestimmungen der einzelnen Länder auseinandergesetzt. Falls ich im Iran vergesse, meine Ohrringe oder einen Armreif/Ring bei der Einreise zu deklarieren, bin ich ihn bei der Ausreise los und kann vielleicht noch Bußgeld zahlen. Denn: Er gilt als nicht deklarierte Devisen-Einfuhr! – Für den Iran brauche ich für diverse Formalitäten auch Passbilder, auf denen ich bereits mit Kopftuch abgebildet bin. Also habe ich gleich mal meine türkischen FreundInnen aktiviert und werde demnächst Kopftuch-Shoppen gehen. (Ayse freut sich schon auf das Fotoshooting fürs Passfoto!) Werde möglicherweise noch einen VHS-Kurs ‚Kopftuchbinden leicht gemacht‘ besuchen. Habe da schon so meine Vorstellungen von einer schicken Kopfbedeckung! – Hat von euch schon einmal jemand von einer internationalen Fahrzeugzulassung gehört? Brauchen wir auch! – Damit die Grenzformalitäten in Tadschikistan ‚zeitlich übersichtlich‘ bleiben, würde es sich lohnen, sich vorab ein Autokennzeichen machen zu lassen. Ich werde da nochmal mit dem hilfsbereiten Herrn aus der Botschaft in Berlin sprechen! – Geld muss in Russland und überall deklariert werden – sollten wir da was vergessen, bedeutet dies: Geld ist weg, hohes Bußgeld und bis zu 2 Monate Gefängnis. OK! Das hat mich bekehrt – ich deklariere alles! Nix mehr mit Verstecken oder so! – Nachdem eine Freundin beim China-Visum angegeben hatte, dass sie in einer katholischen Schule arbeitet, musste sie sich bei der Schulleitung eine Bestätigung holen, dass sie nicht zum Missionieren kommt. Ich werde das mit der katholischen Schule beim Visa-Antrag wohl lieber gleich weg lassen. (Ich will ja auch gar nicht missionieren!) Soweit die Zollformalitäten, wobei ich jetzt natürlich nur einen kleinen Einblick gegeben habe. 😉

Schwierig wird es mit dem Geld! Habe heute von meiner Bank erfahren, dass die guten alten Traveller-Schecks ein Auslaufmodell sind! Ende des Jahres gibt es sie nicht mehr! Schade! Denn mit denen wollten wir uns von der Bargeld-Mitnahme etwas entlasten. Und jetzt? Bargeld-Einfuhr ist in den meisten Ländern sehr begrenzt, heimlich will ich ja nix mitnehmen und Kreditkarte am Bankautomaten geht manchmal gar nicht und manchmal sehr begrenzt! Und was mache ich, wenn ich dann gaaaanz viele Tenge, So’m, Somoni oder Manat habe? — Was das ist? Die Landeswährungen von Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan! Falls jemand eine gute Idee hat – gerne!

Kopftuch – Model ‚Landi 2015‘

Kopftuch-1

Nun hab ich ein Reise-Kopftuch gefunden, das mir gefällt und zu mir passt. Ich gehe mal davon aus, dass es auch den Kleidungsvorschriften im Iran entspricht. Zudem hat es den Vorteil, dass ich mir den geplanten VHS-Kurs ‚Kopftuch anlegen leicht gemacht‘ sparen kann. Nächste Woche bekomme ich noch eine Kopftuch-Beratung von Ayse – und dann kann eigentlich nichts mehr schief gehen!

Im 21. Jahrhundert

… und nicht im 24. wie Jean-Luc Picard, Captain des neuen Raumschiffes Enterprise und unser Haus- und Hof-Philosoph aus früheren Tagen, als ich das tägliche Lernen auf das Staatsexamen von 15 bis 16 Uhr für eine neue Folge unterbrach.

Die Seidenstraße ist unser ganz privater neuer Quadrant unserer Galaxie Erde und ein wenig fühlen wir uns auch wie unser Captain, wenn wir am 31. in die Schalensitze sinken, den Blick fest auf’s GPS gerichtet und die Koordinaten eingegeben — Energie!

Naja, mit einem Defender fährt es sich nicht ganz so schnell, wie mit einer Enterprise – lediglich Impulsantrieb..! Doch Warp ist auch nix für uns, wollen wir doch auch den Weg in uns aufnehmen, nicht nur das Ziel.

Welches Ziel?

Captain Picards Weisheit kann man in allen Lebenslagen in Anspruch nehmen. So zum Beispiel auch, um auf die immer und immer wieder gestellte Frage zu antworten, welches Ziel unsere Reise hat:

„Es wird ja immer gesagt, wenn man weit genug reist, kann man am Ende auf sich selbst treffen.“

Die Frage

Ich wusste, sie würde irgendwann kommen: Die Frage nach dem Warum!

Ich kenne das von anderen Reisen. Je näher der Abfahrtstermin rückt, desto mehr Bedenken, Ängste, Sorgen und eben auch zunehmend Sinn-Fragen werden uns gegenüber geäußert: Habt ihr eigentlich keine Angst vor der Reise? Gibt es den IS auf der Seidenstraße? Was macht ihr, wenn ihr eine Blinddarmentzündung habt? Ob ihr überhaupt mit eurem Auto durch Russland kommt ohne Überfall? Wo liegt eigentlich euer Testament und die Patientenverfügung in eurer Wohnung? Und wenn ihr einen Unfall habt? Eine so weite Strecke mit dem Auto – macht das denn Spaß? Warum macht ihr das überhaupt?

Gute Frage! Warum machen wir das überhaupt?

Da gibt es die quadratisch-praktisch-gute Antwort für den kurzen Dialog: Das war schon immer unser Traum! Die Seidenstraße ließ uns einfach nicht mehr los! Bis zur Rente warten wollten wir nicht! – Alles nette Ansagen, die jedoch den Kern der Reise kaum treffen. Denn der wahre Grund ist – aufgepasst: Unser Landrover muss mal wieder raus! (Nein, bei aller Liebe – natürlich war das grad ein kleiner Scherz!)

Also, was bringt uns dazu in 8 Wochen geschätzte 15.000 km zu fahren und 11 Länder zu durchqueren? – Ja, was eigentlich?

Es geht um einen Traum, der Wirklichkeit wird. Es gibt Träume im Leben, die haben hohen Unterhaltungswert, müssen aber nicht drängend in die Realität umgesetzt werden. Und es gibt Träume, die fordern uns heraus und wenn ihre Umsetzung gelingt – wider alle Vernunft – dann schaffen sie Lebendigkeit in unserem Leben.

Unsere Reise ist so ein Traum. Die Zeit für Bildbände zur Seidenstraße, für Reiseberichte über die Seidenstraße, für Dokumentationen zur Seidenstraße, für Märchen von der Seidenstraße, von Fotoausstellungen zur Seidenstraße ist definitiv vorbei – jetzt soll der Traum ‚Seidenstraße‘ endlich Wirklichkeit werden.

Es ist nun der Punkt gekommen, an dem wir mit den genannten Konsumwaren zur Seidenstraße unsere eigentliche Sehnsucht nach dem wirklichen Erleben nicht mehr stillen können. Wir möchten keine Stellvertreter-Waren mehr konsumieren oder Lebensgefühle einkaufen, zu denen das entsprechende Leben fehlt: Keine persischen Kochbücher mehr wälzen, sondern die persische Küche er-schmecken. Keine Reisebücher mehr, sondern selbst mein Reisetagebuch am Ende eines Tages schreiben. Keinen Geländewagen für die Stadt unterhalten, sondern mit unserem Landi mit Ruckeln und Zuckeln über die Wellblech-Pisten fahren oder die Wüstendünen erklimmen. Kurzum: Keine Stellvertreter-Erlebnisse mehr, sondern eine wirkliche Reise-Herausforderung erleben. Hinter dieses Lebens-Abenteuer treten allzu große Sorgen um Gesundheit, Sicherheit und Effizienz in den Hintergrund. Und das ist gut so. Sonst würden wir nicht aufbrechen.

Und ja, ich habe auch manchmal Angst vor dem, was wir uns zumuten! Ja, es gibt mittlerweile den IS auf unserer Route! Wenn ich eine Blinddarmentzündung habe, dann hoffe ich, rechtzeitig in einem Krankenhaus behandelt zu werden. Und wenn unser Landrover bereits in Russland geklaut wird, dann ist dort unsere Reise zu Ende – schade! Das Testament und Patientenverfügung ist gemacht und liegt im ‚Schubber‘! Wenn wir in einen Unfall verwickelt werden, ist es hoffentlich nur Blechschaden! Und ja, die Strecke ist sehr weit, aber wir beide können sogar mit guter Laune tagelang ‚Strecke‘ machen.

Und ja, wir machen das, um das Leben in seiner Fülle auszuschöpfen, um andere Kulturen kennen zu lernen, um wertvolle Begegnungen mit Menschen zu haben, weil wir Herausforderungen lieben, weil es inspirierend ist, in andere Kulturen einzutauchen, weil ich – seit ich 4 Jahre alt bin – vom Orient träume, weil wir schon zu oft an der türkisch-iranischen Grenze gestoppt wurden, weil wir viele schöne Momentaufnahmen (=Fotos) mitbringen möchten, weil ich wissen möchte, wie man sich im Iran als Frau bewegt, weil ich meine Belastungsgrenzen erleben möchte, weil ich gerne was zu erzählen habe und weil es uns lebendig werden lässt ….

…. und weil unser Landi wirklich mal wieder raus muss!

Money, Money, Money

Dollarträume

… must be funny, wenn man gezwungen ist, das gesamte Reisegeld in Form kleinster Scheine mitzunehmen. Die Reisewährung ist der US-Dollar. Und da selten heraus gegeben werden kann, ist man auf der Verliererseite, wenn man 100$-Noten mit nimmt. Also hat uns die Sparkasse auf Bestellung einen ganzen Beutel voller 1$-Noten ausgespruckt, die wir nun ähnlich einem Eichhörnchen in allen möglichen Verstecken unterbringen — und hoffentlich nicht vergessen, wo das war…!

Oder doch zu Onkel Josef?

‚Reisen bedeutet mehr als die Versetzung des Menschen aus seiner gewohnten Umgebung in einen anderen Teil dieser Erde. – Reisen ist nach diesem Verständnis nicht nur eine äußere, sondern vor allem auch eine innere Bewegung. Es ist nicht die moderne Technik, die Fortbewegung mit dem Bus, der Bahn oder dem Flugzeug, die das Wesentliche des Reisens ausmacht. Vielmehr der Wille, sich auf den Weg zu machen, etwas Neues erfahren zu wollen, in einer neuen Umgebung auch sich selbst neu zu entdecken.‘

Ohne Angst verschieden sein

Ein interessanter Gedanke, innere und äußere Reisen zu trennen und somit ganz generelle Unterschiede von Reise-Motivation und Reise-Erleben voneinander abzugrenzen.

Mit einer Haltung, uns nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich in der Welt zu bewegen, grenzen wir uns mit unserem Vorhaben ‚Seidenstraße‘ wohl deutlich von einer reinen Erholungsreise ab. Oftmals ist diese ja mit dem Wunsch verbunden, sich zwar äußerlich in eine andere Welt zu begeben, sich vor Ort jedoch innerlich kaum bewegen zu müssen. Einfach nur chillen, gut essen, am Pool liegen, sich ab und an die Frage stellen, in welchem Land ich gerade weile, bisschen shoppen, Vino am Abend, schöne Aussicht ist auch prima! Die Kultur, aktuellen Themen oder gar Probleme des Landes und die mitunter anstrengenden Kontakte stören da den Erholungswert nur.

Wir kennen diese Art von Urlaub natürlich auch.

Unsere geplante Reise im Sommer 2015 wird dagegen sicherlich einen anderen Charakter haben. Die Seidenstraße mit ihren vielfältigen Kulturellen Besonderheiten, Höhepunkten und Herausforderungen wird eine immense innere und äußere Bewegung mit sich bringen: Es ist schön, die Strecke mit unserem Landrover zu bewältigen. Da wird uns die Distanz zu unserer Heimat nochmal bewusster und wir können immer wieder mal ‚Tempo‘ rausnehmen, wenn es uns äußerlich zu schnell geht. Innerlich bewegt uns die Reise ja schon seit geraumer Zeit. Die vielen ‚inneren‘ Bilder und Fragen werden uns die 8 Wochen auf der Reise begleiten und innerlich wie äußerlich sicherlich wach halten.

Ich könnte mit der beschriebenen Motivation natürlich genauso in die Fränkische Schweiz zu meiner Verwandtschaft fahren und Urlaub auf dem Bauernhof machen. Das wäre zwar keine große äußere Bewegung – gerade mal 30 Kilometer. Innerlich dagegen ebenfalls eine große Herausforderung, denn wir würden voraussichtlich genauso viel kulturell Befremdendes erleben und Vertrautes finden, wie auf der Seidenstraße. Da bin ich mir ziemlich sicher!

Mit den Oberfranken in Kontakt zu treten ist mitunter sogar eine größere Herausforderung als ich mir das mit den Menschen auf unserer Reise vorstelle. Und auch sprachlich müssten wir uns mit dem Urfränkischen sehr bemühen, mitunter sogar mit Händen und Füßen reden.

Eintauchen in die Welt der Oberfranken! – Wenn ich’s mir so recht überlege, finde ich Gefallen daran. Vielleicht fahre ich im Sommer einfach auf den Bauernhof zu meinem Onkel Josef und der Tante Hilde? – Günstiger wär’s! Und der Landi käme auch auf seine Kosten!

Gedanken zur Nacht

Schön, wenn es Freundinnen und Freunde gibt, die puren Optimismus ausstrahlen und sich mit uns über unsere Reisepläne freuen. Es ist nun (fast) alles bereit (fehlt nur noch das Turkmenische Visum) und dann kann es los gehen. Nun kann ich es plötzlich gar nicht mehr erwarten. Und nein, wir fahren nicht zu Onkel Josef in die Fränkische! Das ist nun geklärt! Die geplante Reiseroute führt uns definitiv bis an die chinesische Grenze! Der Countdown läuft – noch 15 Tage bis zum Start in Bamberg!

Uns wie tut es gut, wenn gute Wünsche für die Reise ‚eintrudeln‘! Besonders angerührt hat mich, dass Ayse im Ramadan in der heiligsten Nacht des Jahres ein Gebet gesprochen hat zum guten Gelingen unserer Reise. Denn Gebete und Wünsche in dieser besonderen Nacht wiegen tausendfach!

Passt bitte gut auf Euch auf!

Liebe Freunde, Familie, Bekannte und Unbekannte,

morgen fahren wir los in Richtung Seidenstraße. Für 8 Wochen bleibt Ihr auf Euch alleine gestellt. Bitte seid achtsam und passt gut auf Euch auf. Fahrt bitte auf keinen Fall nach Paris oder London, dort kommt es ständig zu Anschlägen. Auch nicht Berlin oder sonst was. Und auch Zuhause: denkt dran, nicht zu viel Bargeld einzustecken, weil Taschendiebe gibt es auch in Bamberg, Scheßlitz und Burgebrach. Meidet große Menschenansammlungen, oder – wenn es unvermeidbar ist – geht nur zu Zweit in den Supermarkt! Man hat ja schon sooh viel gehört, glaubt uns.

Auf jeden Fall bleibt gesund und heil, bis wir wieder bei Euch sind – ein bisschen Sorgen machen wir uns halt schon. So alleine in Franken…!

Überhaupt: Franken, was man da ja schon gehört hat! Also, ohne Guide würd‘ ich mich das eh nicht trauen. Wenn es heiß ist, dann suchen die Franken Keller auf, statt sich in den Biergarten zu setzen, und verspeisen kleine Schaufeln mit sauer vergorenem Weißkraut. Ohne Reiseapotheke geht da gar nix. Ausserdem ist die Verständigung sehr schwer dort.  Echt nix für TUI-Touristen. Eigentlich ganz schön mutig was Ihr da so macht, inmitten Oberfranken 8 Wochen zurück zu bleiben….

Aber: wir haben Euch ja keine Wahl gelassen!

Eure Ulrike und Hendrik

Falle falle, weißer Schnee

Russland! Ein angenehmes Reiseland, in dem einen die Menschen freundlich lächelnd und mit viel Geduld weiter helfen, auch wenn es sprachlich keinerlei Schnittmenge gibt. Unsere Vorurteile schmeißen wir nach einem Tag über Bord.

An der Tanke weigert sich Ulli, die bereits getankten 2000 Rubel zu zahlen, weil sie nicht mit bekommen hat, dass der Diesel schon im Tank ist. Als gar nichts mehr hilft, behilft sich der Tankwart mit einem charmanten: „Nix verstehen Deutsch – Falle, falle, weißer Schnee.“ Ja, wenn das so ist… Das Missverständnis löst sich mit dieser Freundlichkeit auf.

Noch 100 km bis Moskau….

Von Karelien bis Kalmückien

2500 km Russland, vom Norden Kareliens bis in den Süden in die Kalmykische Steppe liegen hinter uns. Kurzbesuch in Wolgograd, dem früheren Stalingrad und die letzten 300km an der Wolga entlang. Eines wird offensichtlich: Hitler war von allen guten Geistern verlassen, dieses Land erobern zu wollen. Die unendliche Weite des Landes ist mit Händen greifbar. Die Landschaft südlich von Moskau ist leer. Riesige Felder mit Weizen oder Sonnenblumen und dazwischen kaum ein Dorf, kaum eine Straße, die von der M5 abzweigt. Die meisten ‚Kreuzungen‘ enden nach 20m in einem Feld. Zwei Frauentypen haben wir in Russland angetroffen:die Mütterchen am Straßenrand, die liebevoll ihre Waren feilbieten: Kartoffeln, Zwiebeln, Äpfel, Tomaten und Kohl aus dem hauseigenen Gärtchen. Sie sitzen da in traditioneller Tracht, mit einem ‚Hoderla‘ (Kochtuch) und versuchen, das Familien-Einkommen etwas aufzubessern. – Und da gibt es noch die junge weibliche Generation: schick und elegant oder pfiffig-frech mit Handtäschchen – immer mit einem Smartphone in der Hand. Im Straßenbild der Dörfchen ein wahrer Augenschmaus. Wolgograd (Stalingrad) – eine Großstadt im Süden Russlands. ‚Jetzt eine schöne Tasse Kaffee an der wunderschönen Wolga‘ – so malten wir uns unsere Mittagspause aus. – Was uns erwartete: kein Cafe, sondern marode Ruinen-Plattformen am Wasser, keine flanierenden Menschen an der Uferpromenade, sondern sozialistische Propagandasprüche, an die zerfallenen Mauerreste gesprüht. Schade. Für uns bleibt die Frage offen, wo denn die Wolgograder ihre Muse-Stunden verbringen. – Stadtauswärts noch ein erstes Schaschlick – es sah auf dem Werbefoto ja sooo verlockend aus. Nach 3 Bissen nehmen wir erst Mal einen kräftigen Schluck Ouzo – nur zur Magen-Darm-Prophylaxe. 😉 Weiter geht’s Richtung Astrachan. Da tauchen sie vor uns auf: nach 2 Tagen tatsächlich die ersten europäischen Fahrzeuge. Und was für welche: zwei alte R 4 mit jeweils 3 jungen Franzosen gut besetzt und bepackt zuckeln sie mit uns in Richtung kasachische Grenze. Ob sie wohl auch von den katastrophalen Straßen gehört hatten? So sieht wahrer Leidensmut aus! Leider werden sie schon bald von der Polizei herausgewunken – noch bevor wir sie zu einem Plausch unter ‚Reisenden‘ erwischen können. Doch wir sind uns sicher: Wir werden sie bestimmt nochmal treffen auf dem Weg gen Osten. Wir übernachten in den Wolga-Auen – um uns herum Wildpferde, die uns neugierig umkreisen.

Ohne Rubel rollt hier nix

Noch 10 km bis zur kasachischen Grenze – da können wir für unsere restlichen Rubel noch schnell tanken. 2 km weiter wissen wir, dass dies ein Fehler war. Ohne Rubel in der Tasche wird der Grenzübertritt nach Kasachstan hindernisreich. Nicht, weil die Grenzer uns einen Stein in den Weg gelegt hätten, sondern weil eine nicht eingeplante Maut-Pontonbrücke über die Wolga von uns nicht mehr bezahlt werden kann. Die Dame am Kartenschalter widersteht allen erdachten Lösungsvorschlägen und ist bald von einer Traube Männer umgeben, die alle lautstark auf russisch mitdiskutieren. Wir mitten drinnen, weniger lautstark, jedoch mit Händen und Füßen heftig mit-gestikulierend. Die eiserne Lady jedoch lässt alle Bemühungen unbeachtet: Wir könnten ja mit der Fähre fahren, doch wann die kommt, ist ungewiss. Nach langem Hin und Her sitzen wir auf der Motorhaube – mit sehnsüchtigem Blick ans andere Ufer. Da kommt plötzlich ein Passant auf uns zu und tauscht blitzschnell schwarz zwei Dollar (streng verboten) und unsere Reise kann weiter gehen. Was uns wohl an der ‚berüchtigten ‚ Grenze zu Kasachstan erwarten wird?

Kasachstan

Der Grenzbeamte empfängt uns freundlich auf deutsch. Nachdem uns auch weitere Beamte und wartende Kasachen mit einem freundlichen Lächeln ‚welcome‘ heißen, ist das Eis schnell gebrochen. Auf deutsch, englisch und mit einigen Brocken Türkisch sind wir im Gespräch und werden als ‚Fußball-Weltmeister‘ herzlich willkommen geheißen. Keine Stunde vergeht und wir sind durch: mit einer Autoversicherung und einigen Tausend Tenge fahren wir hinaus in die kasachische Steppe. – Dort erwartet uns zunächst eine miserable Straße, die ihren Namen kaum verdient – eigentlich nur eine Ansammlung von tiefsten Spurrillen und PKW-großen Schlaglöchern. Rechts- oder Linksverkehr spielt keine Rolle mehr, gefahren wird dort, wo man durchkommt. Bei unserer Neuberechnung für die ca. 1000 km in Kasachstan schlagen wir mal schnell einen Tag länger drauf. Komischerweise zeigt uns unser Navi auch ca. 800 km mehr an – das wären dann schon 3-4 Tage in Kasachstan. – Mit etwas gedämpfter Stimmung freuen wir uns schon auf die sagenumwobenen Straßenpolizisten, die hier ja überall auf ihre Abzocke-Gelegenheit lauern sollen. – nach mehrstündiger Fahrt erst werden wir von 130 kmh auf Null herunter gestoppt. Hendrik verschwindet schnell im Inneren des Polizeiwagens und kommt nach ca. 10 Minuten mit einem Grinsen wieder heraus. Keine Abzocke, sondern eine ganz normale Strafe für zu schnelles Fahren. Mit der Nachfrage, ob unser Obulus für uns kein Problem darstellt und der Empfehlung der freundlichen Beamten, zukünftig nur 100 km/h zu fahren, ziehen wir weiter. Uns dämmert, dass wir all die angelesenen Geschichten und Vorurteile über Kasachstan über Bord werfen können. Entspannt und mit Freude über bessere Straßenverhältnisse fahren wir auf dem Steppen-Highway in die Abenddämmerung und finden ein lauschiges Plätzchen auf einem kleinen Hügel. Auf dem Dach unseres Landis schauen wir noch eine Weile in die Sterne, bis wir einschlafen und von all den freundlichen Grenz- und Polizeibeamten träumen umringt von friedlich grasenden Steppenpferden.

Roman und Diana

Mitten im Nichts treffen wir auf zwei Rucksacktouristen auf dem Weg von Beyneu (KAZ) nach Uzbekistan. Leider haben wir ja keinen Platz im Auto. Im Staubsturm dann an der Grenze treffen wir sie wieder. Wir fragen jetzt doch, ob wir sie mitnehmen sollen.

Einige Stunden später haben wir Freundschaft mit zwei Russen geschlossen und übernachten mit Ihnen in der Wüste kurz vor dem Amurdarya. Mit Spaghetti Bolognese besiegeln wir die neue Deutsch-Russische Freundschaft und Roman und Diana beschließen, mit uns nach Khiva zu fahren.

Mit Russisch haben die beiden in diesem Land es nicht leichter als wir mit unserem Türkisch. Die Verständigung geht in einem babylonischen Dreiklang am besten. Und schließlich laden wir die beiden low-budget-Touristen ein, mit uns im Hotel in Khiva zu bleiben.

Doch Khiva, das ist dann schon eine neue Geschichte….

Khiva, meine Perle

Wir können es kaum erwarten – nach unzähligen Kilometern durch die Weite Russlands, Steppe Kasachstans und Wüste Usbekistans liegt sie nun zum Greifen nahe: Die Oase Chiwa. Zwischen der roten und schwarzen Sandwüste gelegen, verdankt das Städtchen seinen Vegetationsreichtum dem Amudarja. Der fruchtbar machende Strom Mittelasiens lässt das Land urplötzlich grün werden und erste Reisfelder tauchen neben der Straße auf. – Wie viele andere Reisende seit Jahrhunderten freuen auch wir uns auf Erholung in der Oasenstadt, die 1997 ihr 2500jähriges Stadtjubiläum feierte. Bevor wir durch das Westtor die Altstadt betreten, fällt unser Blick auf eine imposante Statue. Es ist Avicenna, wie er im Westen genannt wird und Hendrik ist etwas erstaunt, ihn hier anzutreffen. Ibn Sinna alias Avicenna hatte um 1010 ein umfangreiches medizinisches Handbuch geschrieben, das 700 Jahre lang als Standardwerk der Medizin galt. Nach einem ersten Rundgang durch das alte Chiwa höre ich Hendrik neben mir andächtig murmeln: ‚Ich fühle mich hier wie der Medicus!‘

Morgens in der Oase

Vielleicht sind es die altehrwürdigen Gemäuer unseres Oasen-Hotels, vielleicht auch einfach die unbewussten Sehnsüchte nach einem Ort wie diesem, die mich in der Nacht von goldenen Kuppeln und türkisfarbenen Mosaiken träumen lassen. Früh in der Morgendämmerung wecken uns die ersten Sonnenstrahlen und wir wissen zunächst nicht, ob wir wach sind oder träumen: Direkt vor unserer offenen Balkontüre zeichnen sich scherenschnittartig die Kuppeln, Türmchen und Treppen von Khiva ab. An Schlaf ist bei diesem Anblick nicht mehr zu denken und so ziehen wir noch vor dem Frühstück gegen 6 Uhr los in die verwinkelten Gässchen der Altstadt. Im warmen Sonnenlicht erwacht die Oasenstadt und wir mit ihr.

Melonenfest

In der ganzen Oase herrscht große Betriebsamkeit: Auf dem Meydane (Marktplatz) werden Stühle aufgereiht, Stände aufgebaut, große Banner aufgespannt und viele Holzstände zusammen gezimmert. Mitten im Gewusel üben Kinder-Trommelgruppen und der örtliche ‚Posaunenchor‘. – Heute das große Melonen-Festival statt.- Mit Vorfreude tauchen wir gegen Abend ein in das bunte Treiben.

Kaum zu beschreiben, auf welchen künstlerisch-kulinarischen Reichtum wir treffen: aufgeschichtete Melonenberge, kunstvoll geschnitzte Melonen-Rosen, Melonen-Schiffe und andere filigrane Figuren sowie unzählige Melonen- und Weintraubenprodukte. Man erzählt uns stolz, dass Khiva berühmt ist für die süßesten Weintrauben (uzum) und die Khivaer Melonen bereits im Mittelalter als Delikatessen gehandelt und bis nach Bagdad exportiert wurden. – Schon wird uns wieder ein Stück Melone in die Hand gedrückt – alle 16 Sorten sollen wir probieren.

German Television

Die Menschen haben sich zum Festival festlich – oft in Tracht – herausgeputzt und flanieren ausgelassen durch die Gassen. Eine alte Frau winkt uns heran und zeigt uns stolz ihre Delikatessen-Ausstellung. Und natürlich sollen wir wieder von allem probieren: gefüllte Teigtaschen, süße Weintrauben und köstliche Rosinen, Marmelade und gefülltes Honiggebäck! – Auf dem Meydane faszinieren uns folkloristische Darbietungen. Typisch usbekische Instrumente wie das Tamburin, eine Art Langstil-Trompete und usbekische Lauten kommen zum Einsatz und begleiten die vielen Sänger und Sängerinnen auf der Bühne. Nach jeder Musikeinlage folgen traditionelle Tänze und Epensänger rezitieren Volksmärchen rund um die Melone. Als das zahlreiche Wachpersonal uns aus den vorderen Reihen verscheuchen möchte, deutet Hendrik mit dem Kommentar ‚German Television‘ fachmännisch auf unsere Ausrüstung und ehe wir uns versehen, werden uns zwei Steh-Logen-Plätze in der ersten Reihe zugewiesen. 😉

Kaum zu beschreiben, auf welchen künstlerisch-kulinarischen Reichtum wir treffen: aufgeschichtete Melonenberge, kunstvoll geschnitzte Melonen-Rosen, Melonen-Schiffe und andere filigrane Figuren sowie unzählige Melonen- und Weintraubenprodukte. Man erzählt uns stolz, dass Khiva berühmt ist für die süßesten Weintrauben (uzum) und die Khivaer Melonen bereits im Mittelalter als Delikatessen gehandelt und bis nach Bagdad exportiert wurden. – Schon wird uns wieder ein Stück Melone in die Hand gedrückt – alle 16 Sorten sollen wir probieren.

Auf dem Kyzylkum-Highway nach Buchara

Wir lassen die grüne Oase Khiva hinter uns und tauchen ein in die Kyzylkum, die rote Sandwüste. Zwischen den kleinen Dünen wachsen Tamarisken und Sandakazien und verhindern größere Sandverwehungen. Anfangs überqueren wir immer wieder die zahlreichen Kanäle des Amudarja, der die Oase mit Wasser versorgt und den Kindern den Spaß ermöglicht, in der Mittagshitze vergnüglich ins kühle Nass zu springen. Der Fluss entspringt im Pamirgebirge (Tadschikistan), das wir auf unserer Reise noch durchqueren werden. – In der Ferne taucht Ayaz Kala auf, eine alte Festungsanlage auf einem exponierten Hügel. Obwohl nicht viel mehr als die Burgmauern zu erkennen sind, wundert es uns doch, dass solch ein Lehmbauwerk siebzehn Jahrhunderte überstehen kann. In der flirrenden Wüstensonne genießen wir (kurz) den Blick in die Weite der Kyzylkum.

Wie schön, dass wir hier oben auf ein Jurtencamp treffen und in einem farbenfrohen traditionellen Zelt mit natürlicher Klimaanlage und einem Tee wieder Kräfte tanken können. – Und was ist über die 400 Kilometer-Fahrt auf dem Kyzylkum-Highway nach Buchara zu berichten? Sand, Sand, Sand und nochmals Sand. Das ist alles.

Buchara

Buchara bedeutet anders als das in Deutschland weithin unbekannte Khiva  mehr als den Namen einer Stadt. Es ist die Konzentration von Sehnsüchten nach dem Unbekannten und Märchenhaften.

Da verwundert es nicht, wenn ein tatsächlicher Besuch weniger gefühlvoll beginnt, in einer Stadt, die nicht nur das Erbe der islamischen Hochkultur, sondern eben auch Sowjetzeit zu ihrer Geschichte zählt.

Die Altstadt ist herausgeputzt und leer wie eine Glasvitrine in einem Museum.

Doch dann kommt der Abend und die Menschen strömen herbei zum zentralen Entspannungsplatz dem Lyabi Havuz (Havuz = Teich), um den herum sich Teegärten und Restaurants gruppieren. Ein Bier und mehrere Tee’s später berührt die Stadt uns doch mit ihrem orientalischen Charme und den Prachtfassaden der Medresen, die sich um den Havuz gruppieren.

Chiroyli Buhara

Buchara, die legendenumwobene Stadt an der Seidenstraße empfängt uns zunächst von ihrer sozialistisch-modernen Seite. Mehrmals umrunden wir die Ringstraße, denn Hinweisschilder oder Wegweiser sucht man in Usbekistan vergebens. Wir fühlen uns erschöpft wie eine verloren gegangene Kleinstkarawane auf der Suche nach einer rettenden Karawanserei. So fragen wir uns durch, finden schließlich die Altstadt und somit auch unser traditionell usbekisches Hotel, das uns sofort durch seine liebevollen Wandmalereien überzeugt. Hier bleiben wir.

Nach der Oase Khiva nähern wir uns schrittweise Buchara, einer weiteren Perle der Seidenstraße, an. Am Labi-Havuz (=Wasserbecken) in der Altstadt bleibt man unwillkürlich erst Mal in einem der vielen schattigen Teehäusern hängen. Rund um den Teich findet man die Choyxona (Teegärten), in denen sich Jung und Alt auf gemütlichen Taptschan (Diwan) niederlassen, Tee trinken und Domino oder Karten spielen. Das Wasser des Labi Havuz kommt aus dem Schachrud, dem königlichen Fluss und versorgte ehemals die Einwohner der Stadt mit Wasser. So war das Wasserbecken zwar die Lebensquelle Bucharas, aber gleichzeitig auch eine Quelle von zahlreichen Krankheiten. In den Sträßchen und Gassen rund um das Wasserbecken entfaltet Buchara all ihre Pracht: kunstvoll mit Kacheln verzierte Portale von Medresen und Moscheen, Mosaiken mit bunten Pflanzen- und Tierbildern, mit filigranen Steinornamenten übersäte Minarette, stimmungsvolle Innenhöfe, die mittlerweile als Teegärten genutzt werden und die vielen Handwerksbasare in den zahlreichen überdachten Gewölben, in denen auch heute noch allerlei traditionelle und moderne Waren feilgeboten werden.

Buchara präsentiert sich uns prachtvoll, jung-dynamisch, altehrwürdig und legendenumwoben. Als weitere Oasen-Perle der Seidenstraße erhält sie von uns den Namen ‚chiroyli‘, die Schöne.

Kniegeiger und Hiobswunder

Inmitten der Prachtbauten von Buchara findet sich das Mausoleum Chashma-Ayub (=Quelle des Hiob). Der Quellbrunnen im ältesten Teil des Bauwerkes soll der Legende nach mit dem Propheten Hiob zusammenhängen: Als die Stadt Buchara noch nicht existierte und die Umgebung schwach besiedelt war, soll Hiob dort erschienen sein, um Gottes Wort zu predigen. Nach einer Dürreperiode baten die Dorfbewohner Hiob um Wasser. So schlug Hiob mit dem Stab auf den Boden und das Wasser sprudelte heraus. – In Gedanken versunken kehren wir von diesem biblischen Ort zum Landi zurück. Hier werden wir von einem Knie-Geiger aus Berlin empfangen, der seine schöne Musik über den Platz erklingen lässt. Kurzentschlossen kaufen wir seine neue CD und schon bald sind wir im Landrover von nie gehörten Kniegeigen-Klängen eingehüllt.

Till Eulenspiegel im Orient

Im Teegarten treffen wir auf ein Denkmal von Nasreddin Hodscha, den orientalischen Till Eulenspiegel. Auf seinem Esel sitzend schaut er sich das Treiben im Choyxona an, in dem Tee getrunken, geplaudert und Tavla gespielt wird.

Die Lehr-Geschichten von Nasreddin wurden von der umherziehenden Derwischen immer wieder neu erzählt.In seinen Erzählungen hat der orientalische Hodscha (=Lehrer) meist eine listige Art, durch starre Denkstrukturen hindurch zu schlüpfen und kommt häufig zu einem ungewöhnlichen, überraschenden Finale. So auch in der folgenden Schmuggler-Geschichte: Jeden Tag überquerte Nasreddin mit seinem Esel die Grenze und wurde von den Zöllnern jedes Mal gründlich gefilzt. Doch fündig wurden sie nie beim Hodscha. Nasreddin dagegen wurde sichtlich wohlhabender und zog schließlich in ein anderes Land. Dort traf er auf einen ehemaligen Zöllner. ‚Jetzt könnt ihr es mir ja verraten, Nasreddin‘, sagte er, ‚was habt ihr damals eigentlich geschmuggelt?‘ ‚Esel‘, antwortete Nasreddin.

Big is beautiful

Wie hält man ein Völkergemisch in einem recht willkürlich geschaffenen Staat zusammen, der erst in der Sowjetunion seine Gestalt bekam? Nationalstaatlichkeit herzustellen in einem historischen Kontext, in dem die Multikulturalität seit jeher selbstverständlich war, fällt schwer. Und so beschwören die Plakate und Banner, die von den Gebäuden hängen und an den Hausfassaden prangen, den Bezug zur Größe einstiger Herscher und erklären diese zu den Urvätern des Usbekentums. Verbogene Geschichte.

Größe ist ein Prinzip, dass sich auch in der historischen Architektur ausdrückt. Die riesigen reich verzierten Portale vermitteln eine übermenschliche Macht des Erbauers. Und auf diesen Anschein scheint es anzukommen. Denn hinter den Prachtfassaden kommt in der Regel ein eher schlichter Innenbereich. Auch die Rückseiten der Portale sind einfaches Ziegelwerk.

Die usbekische Regierung scheint aktuell Unmengen zu investieren, um all diese Zeugnisse ‚usbekischer‘ Geschichte in alter Pracht erscheinen zu lassen. Dass dabei manchmal grob gehobelt und nicht unbedingt sorgfältig restauriert wird, ficht nicht an.

Dexkon Bozari (Bazar)

Unseren Besuch des Dexkon Bozari in Buchara möchten wir mit den Worten von Sir Alexander Burns (1832) beschreiben. Seine Beobachtungen geben trefflich wieder, was auch wir bei diesem Treiben erleben:

‚Vom Morgen bis zum Abend macht die versammelte Menge ein murmelndes Getöse und man ist ganz erstaunt über die sich bewegende Masse menschlicher Wesen. Früchte der Jahreszeit werden unter dem Schatten von Matten, die nur von einem einzigen Pfahl schwebend gehalten werden, verkauft. Man muss sich wundern über die nimmer ruhende Beschäftigung der Fruchthändler im Verkauf ihrer Trauben, Melonen, Aprikosen, Äpfel, Birnen, Pflaumen, zu denen sich fortwährend Käufer einfinden. Nur mit Mühe kann man sich einen Weg bahnen. Auch Karren von leichter Bauart bewegen sich vorüber, da die Wege die Passage von Räderwagen gestatten. In allen Teilen des Bazars sind die Leute mit dem Bereiten des Tees beschäftigt, wozu man sich großer europäischer Teemaschinen, statt der Teetöpfe, bedient und den Tee mittels einer Metallröhre warm hält. Die Vorliebe der Bukharen für Tee ist beispiellos; denn diese Leute trinken ihn zu allen Zeiten und an allen Orten und auf ein halb Dutzend Arten: mit und ohne Zucker, mit und ohne Milch, mit Fett oder mit Salz. Es würde ins Unendliche führen, wollte man den ganzen Kaufmannsverein beschreiben; es genüge daher die Bemerkung, dass hier fast alles haben ist: Tee aus China, Zucker aus Indien, Gewürze aus Manila und allerlei Früchte aus den umliegenden Gärten von Bukhara.‘

Zauber des Moments

Es ist relativ einfach, all die Sehenswürdigkeiten einer Stadt zu fotografieren. Den Blick unbekannter Menschen mit der Linse einzufangen, erfordert dagegen Zeit. Hier ist es häufig wichtig, das ‚Foto-Objekt‘ auch als Subjekt wahrzunehmen und somit eine Begegnung zu ermöglichen.

Und ab und an gelingt so ein Moment, in dem diese Wandlung geschieht. Auf dem Bazar in Buchara beispielsweise, als wir Weintrauben und Pfirsiche kaufen und mit den jungen Verkäuferinnen ins Gespräch kommen. Ist das Eis erst Mal gebrochen, löst sich die Zurückhaltung und es baut sich schnell Nähe und Interesse am Leben des Anderen, zunächst so Fremden auf: Dann gilt es viele Fragen zu beantworten, dann will man alles über unsere Reise wissen und wie uns dieses Land Usbekistan gefällt, dann werden Namen und Adressen ausgetauscht und wir zur bevorstehenden Hochzeit eingeladen, dann wollen Jung und Alt Erinnerungsfotos haben. Und dann, in solchen Momenten fängt unsere Linse den besonderen Moment dieser Begegnung ein.

Drive in my little Paradise

Der Navi führt uns mitten durch die Altstadtgässchen von Samarkand vor das Tor unseres kleinen Familienhotels. Wie durch Zauberhand öffnet sich dieses und Furkat grinst uns an: ‚Drive in my little Paradise!‘ Und kaum sind wir im Mini-Innenhof ausgestiegen und haben auf einem der Taptschans Platz genommen, eilt die Frau des Hauses herbei und tischt auf: kühle Trauben, Äpfel, Pflaumen, Feigen, Aprikosen, geröstete Erdnüsse, Kichererbsen und natürlich grüner Tee.

So ein ‚Drive-In-Paradies‘ hat was! – Hoch oben auf der Terrasse unseres Zimmers blicken wir über die Altstadt, den Registan und sehen in der Ferne die Nekropole. – In unserem Bad entdecken wir eine usbekische Toilettenpapierrolle – ohne Papp-Rolle in der Mitte! So was würde bei den Eltern jeder Kindertagesstättein Deutschland schnell zu enormem Stress führen, wenn es mal wieder heißt: ‚Geben Sie bitte Ihrem Kind nächste Woche 17 Klopapier-Rollen zum Basteln mit den den Kindergarten!‘

Pfefferschoten und Gräberstaub

In der nomadischen Landbevölkerung Usbekistans tritt anstelle des schriftbasierten Hochislam häufig eine schriftlos praktizierte Religion. Dieser Volksislam integriert vor- und außerislamische Bräuche, sprich zoroastrische, schamanistische und buddhistische. Diese Mischung von religiösen Elementen erwies sich erstaunlich resistent gegen die antireligiöse Politik der Sowjetmacht. –

Besonders bei einem Rundgang durch die Nekropole Shohizinda (Samarkand) konnten wir dieses magische Weltverständnis beobachten. Die Methoden zur Abwehr des bösen Blickes sind dabei sehr vielfältig: Da bringt eine Familie ein Huhn als moderne ‚Opfergabe‘ für den Geistlichen; da werden allerlei Amulette gegen den bösen Blick getragen; da werden Gräberwände berührt und mit dem Staub Kinder gesegnet; da sieht man Pfefferschoten zum Schutz des Hauses am Türstock hängen; da ragen aus vielen Bauwerken waagrechte Pfähle heraus, die die Geister (=Dschinn) ablenken sollen; da werden bestimmte Verse aus dem Koran rezitiert.

‚Interessant, interessant, diese fremden Bräuche‘, geht es uns durch den Kopf. Und im gleichen Augenblick wird uns bewusst, was wir so alles an Talismanen mit uns führen und welche Schutzbräuche uns vor der Abreise wichtig waren: eine Kerze aus der kath. Pilgerkirche St. Jakob, Weihwasser aus Vierzehnheiligen, ein Reise-Rosenkranz, eine Murmel und einen Fingerhut (die uns auf Reisen immer begleiten), ein großes Schutzgebet aus dem Koran, einen Wüstenstein und den Skarabäus-Glücksbringer, ein türkisches Amulett gegen den bösen Blick, die bunten ‚Bommeln‘ aus Marokko und das TAU-Kreuz aus Assisi. Ganz schön viel Symbole eines multireligiösen Volksglaubens tummeln sich da in unserem Landi!

Glücksbringer und Hühneropfer

In einer Nische der Nekropole von Samarkand nehme ich Platz, nichts ahnend, dass ich neben einem islamischen religiösen Führer verweile. Eine usbekische Bauern-Familie nähert sich, der Junge ein lebendes Huhn haltend. Ehe ich mich versehe, lässt sich die Großfamilie rund um den Imam nieder und nimmt mich in ihre Mitte. Ein Gebet wird gesprochen, alle Familienmitglieder gesegnet und das Huhn wechselt mitsamt ein paar tausend SUM den Besitzer. – Viele Pilger erleben wir auch in der Moschee Khasret Khyzr, wo der Schutzpatron der Reisenden begraben ist. Auch wir werfen selbstverständlich einen Blick auf den Brunnen und erhoffen uns von Khasret Khyzr ein ‚Gutes Geleit‘. Auf ähnliche Rituale treffen wir auch am Grab des Propheten Daniel. Hier umrundet man das 18 Meter lange Grab drei Mal und erhofft sich aus diesem Brauch mehr ‚Glück‘ im Leben. Unterhalb des Heiligengrabes nehmen wir einen Schluck Wasser von der heiligen Quelle, vom ‚Wasser des Lebens‘, das der heilige Daniel hütet.

Der König der Sterne

Wären wir vor 700 Jahren als Reisende durch Samarkand gekommen, so hätte uns der damalige Ulug’bek (Großfürst) sicher sagen können, ob unser Vorhaben unter einem guten Stern steht. Timurs Enkel interessierte sich nicht nur für Poesie, Medizin, Mathematik, Geschichte, Theologie und Musik. Nach einem Besuch des türkischen Astronomen Rumiy in Samarkand galt Ulug’beks Leidenschaft fortan besonders der Astronomie. Von ihm stammt der berühmte Sternenkatalog, der über Jahrhunderte als eine der wichtigsten astronomischen Arbeiten anerkannt wurde.

Es ist schon erstaunlich: Während sich die Bamberger zu dieser Zeit noch im tiefsten Mittelalter befanden, brillierten in den Städten der Seidenstraße bereits die hohen Künste und Wissenschaften.

Astrologie und Astronomie waren damals sehr eng miteinander verknüpft – vor diesem Hintergrund ist auch Ulug’beks folgendes Zitat zu verstehen: ‚Religionen verwehen, Kaiserreise zerfallen, Werke der Gelehrten aber bleiben in Ewigkeit erhalten.‘ Reste seines Observatoriums und eine Statue erinnern in Samarkand an diesen großen Denker. Und wir hoffen auf eine günstige Sternenkonstellation für unsere weitere Reise auf der Seidenstraße.

See you @ the border!

Seit 10 Tagen haben wir gerade mal 3 europäische Fahrzeuge gesehen, d.h. Menschen, die auf ähnliche Art und Weise reisen wie wir. Erstaunlicherweise auch 5 Kleinst-Karawanen von Radlern, die sich mit dieser Art der Fortbewegung bis nach China oder die Mongolei sicher einer noch größeren Herausforderung stellen wollen als wir. Es bleibt uns jedoch verborgen, wo der Spaßfaktor beim Radeln auf diesen Straßen liegen kann.

Aber möglicherweise geht es hier ja nicht um einen Radel-Genuss, wie wir ihn sonst kennen. – Nach den Franzosen im R 4 und einem winkenden Landifahrer auf der Autobahn nun also die ‚Southhampton Students‘, die zu viert im Landrover auf dem Weg ins Pamirgebirge sind. Wir treffen sie am Registan in Samarkand. Schnell sind wir im Gespräch, tauschen Erfahrungen und Reisetipps aus, begutachten gegenseitig die Ausrüstung und lassen uns – gebeugt über die Karte – die Reiseroute erläutern.

Der Landi der Southhamptoner hat einen Schaden (Keilriemen und Lager gefressen). Unsere Ersatzteile passen leider nicht und so machen sich die vier auf, um in Samarkand eine geeignete Werkstatt zu finden. Wir werden uns sicher wieder sehen auf dem Pamir-Highway! – Abends dann großes Erstaunen, als im Mini-Paradies-Drive-In plötzlich zwei Landrover stehen!

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Eine Werkstatt gibt es in Samarkand anscheinend nicht für den Landi und so müssen die vier Jungs wohl bis Tadschikistan ‚durchhalten‘ – with a little noise‘. See you at the border! And good look! – Wir verabschieden uns und fahren los in Richtung Tadschikische Grenze.

Samarkand, ja Samarkand

Vor 2700 Jahren – so erzählt die Legende – wurde die Stadt (=kand) an der Seidenstraße von König Samar gegründet. Der Registan von Samarkand gehört zum UNESCO Weltkulturerbe und ist wahrscheinlich das meist-fotografierte Fotomotiv in Usbekistan. Im Orient des Mittelalters war es der Platz, auf dem Erlasse verkündet wurden, wo Gericht gehalten wurde und ein reges Marktleben statt fand. Hier wurde 1917 die rote Fahne gehisst und die Frauen mussten auf dem Registan ihren Gesichtsschleier verbrennen. Etwas vergleichbares wie den Registan in Samarkand gibt es wohl bis heute in keiner europäischen Stadt – es müsste ja ein freier Platz sein, der auf drei seiner vier Seiten von gotischen Kathedralen umgeben ist.

Unser erster Blick auf den Registan, von der Dachterrasse unseres ‚Little Paradise‘ aus, lässt die Vorfreude steigen, dieses monumentale Bauwerk zu erkunden. Und es ist wahrlich überwältigend als wir wenige Stunden später in der warmen Abendsonne vor den drei großen Medresen stehen. Die Größe, Pracht und Präsenz dieses Ensembles ist wirklich umwerfend. Drei Mal kommen wir hierher zurück und schauen uns an unserem letzten Abend in Samarkand die Night-Light-Show an – zunächst noch etwas zögerlich und skeptisch, was uns die neue 20-Millionen-Euro-Licht-Ton-Anlage so alles vor die Augen zaubern.wird. Der Registan erglüht bei Einbruch der Dunkelheit in allen erdenklichen Farben: grün, rosa, lila, orange, blau, rot, violett. Ganz versunken in die Performance denke ich an die Geschichten von der Seidenstraße, stelle mir imaginierte Prinzessinnen auf den Plätzen vor, tauche ein in die ganze Märchenwelt des Orients und träume den Traum von 1001 Nacht.

‚Kannst du mir bitte mal das Stativ geben?‘, abrupt reißt mich Hendrik mit seiner Frage aus meinen Tagträumen. Wieder wach, kommt mir die ganze Inszenierung doch etwas ’sehr bunt‘ vor. – Samarkand, ja Samarkand, welche Worte kann diese Oase der Seidenstraße wohl einfangen? Samarkand hat viele kleine Perlen, die gesucht, erlaufen und entdeckt werden wollen. Der Registan ist nur eine hiervon: Imposant, monumental und brillant.

Jetzt wird’s Zeit für mein ‚Houderla‘

Bereits wenige Kilometer nach Samarkand wechselt sich mit der Landschaft auch das Outfit der Frauen. Eben waren sie in den Oasenstädtchen noch pfiffig-bunt und modisch sehr apart gekleidet, so verändert sich der Kleidungsstil in dieser eher ländlichen Gegend. Während in Khiva, Buchara und Samarkand fast keine Frauen mit Kopftuch anzutreffen waren (trotz 89 % Muslima), so gibt es auf dem Land wohl andere Traditionen. Fast alle Frauen tragen hier Kopftuch und die Kleidermode wird weiter, luftiger und länger. – ‚Jetzt wird’s Zeit für ‚mei Houderla!‘ (=Kopftuch im Kronacher Dialekt). Wie gut, dass ich mein ‚Schnell-Kopftuch und lange Blusen immer griffbereit habe. Nach dem Garderobenwechsel fühle ich mich wohler und die Fahrt kann weiter gehen.

Grenzwertig…

Vielleicht haben wir uns zu lange in den grünen fruchtbaren Oasen aufgehalten oder zu viele süße Trauben und Melonen gegessen? Die Landschaft Richtung Tadschikistan kommt uns nach dem Besuch der drei Oasen jedenfalls sehr lebensfeindlich, wüst und staubig-heiß vor. – Erst der Schlagbaum an der usbekisch-tadschikischen Grenze stoppt unsere Weiterfahrt. Und dieses Mal werden wir von den usbekischen Grenzbeamten komplett ‚auseinander genommen‘.

Grenzübergang im Süden Usbekistans

Wir sind das einzige Auto weit und breit und stehen sicherlich 2 Stunden, während der Zöllner alles auspacken lässt und äußerst akribisch filzt. In jede noch so kleine Dose oder Schachtel möchte er rein schauen, alle Kisten und Beutel aufmachen. Der Werkzeugkasten wird komplett ausgeräumt. Als er alle Fotos durch klickt und eine Datei nach der anderen auf unserem PC checkt, wird uns klar, dass sein Interesse wohl Drogen, Devisen oder verbotenen Fotos bzw. Usbekistan-kritischen Texten gilt. In solchen Momenten wird uns klar, dass wir uns halt doch in einem ‚besonderen‘ Land bewegen. Auf der anderen Seite beim tadschikischen Zoll ist dann alles wieder total easy – wir werden fast durchgewunken. Kaum zu glauben!

Tajiken am Seil

Durch die Höhenzüge hinter Dushanbe werden wir aus unserem heißen Trott gerissen: Am Straßenrand ein Fahrzeug mit verdächtig viel Öl unter dem Motor und zwei Tadschiken, die uns fragend anschauen und ein Abschleppseil in die Höhe halten. Ihre Miene scheint uns sagen zu wollen, dass so ein großes, starkes Auto ja wohl bestens geeignet wäre für eine Abschleppaktion. – Das finden wir auch, fahren flugs rechts ran und schnell ist der Zurrgurt an den Wägen befestigt. Wir konnten zwar nicht ermitteln, wo wir die beiden hinbringen sollen, aber das wird sich schon zeigen. Die Fahrzeuge vertäut geht es die nächsten 30km im Tandem weiter. Das Auto im Schlepptau schlängeln wir uns ewig bergauf. An einer km-langen Passabfahrt dann löst sich der Haken aus dem gezogenen Fahrzeug und wir beide blicken uns fragend an: Kann der Wagen bremsen? Sollen wir ihn auffahren lassen? Naja, beim Auffahren würde definitiv der kleine Wagen den kürzeren ziehen. Hendrik zieht uns rechts raus und signalisiert den Tadschiken, ungebremst an uns vorbei zu ziehen. Und ehe wir uns versehen, überholen die beiden uns mit Johlen und Winken und sausen den Pass hinunter. Während unsere Kunden den Berg hinunter rollen, sammeln wir das Seil ein und kommen nach. 4 km später treffen wir uns an einer Kreuzung wieder. Das Seil ist bereits repariert, nach tadschikischer Art (wie uns einer der Männer zu verstehen gibt) – und weiter geht die Fahrt im Tandem. Nach einigen Seilrissen und Reparaturen mit Draht vom Straßenrand haben wir unsere Kunden erfolgreich an ihr Ziel gebracht. Die Essens-Einladung müssen wir leider abschlagen, wir haben noch einiges an Strecke vor uns.

Frauen wie aus 1001 Nacht

Wir sind begeistert von der Schönheit der Tadschikinnen und können unseren Blick manchmal kaum lassen von den glitzernden Gewändern, von den schönen Tüchern und Hauben. Der Kleidungsstil ist fast wie eine Mischung aus den 1001-Nacht-Kino-Schnulzen und der ‚bezaubernden Jeannie‘. Bunte Stoffe, fast immer mit Gold oder Silber durchwirkt, weite Pluderhosen mit einem farblich perfekt abgestimmten Kleid, kunstvolle Kopfbedeckungen, die die oft schwarzen Haare durchzogen mit Tüchern erst richtig zur Geltung kommen lassen. Sehr ausdrucksstarke Mimik und eine selbstbewusste Haltung, im Kontakt mit uns offen und kontaktfreudig, immer schnell ein Lächeln auf den Lippen, winkend und freundlich grüßend – meist sichtlich erfreut, Ausländer zu treffen. Schnell ist man ‚im Gespräch‘, Gelegenheiten hierfür gibt es fast in jedem Dorf.

Pamir Highway

Die M41, das ist das Ziel unserer Träume, genannt der Pamir-Highway. Wobei High für die Höhe des Weges und nicht etwa die Qualität der Straße spricht. Von Dushanbe fahren wir an den Panj, den Grenzfluss zu Afghanistan. Mit uns und uns entgegen kommen unzählige LKW, gar Gespanne und Auflieger bis zu 40t. Dabei ist die M41 größtenteils ein enger Feldweg mit unzähligen Schlaglöchern. Wir sehen auch chinesische Laster, die über den einzigen Grenzübergang zwischen China und Tajikistan am Mustagh Ata den Pamirgrenzkamm überqueren.

Der Panj zieht sich wie ein 100e km langer Seidenfaden durch das Pamir und trennt gleichzeitig Afghanistan von Tajikistan. Und so haben wir die einmalige Gelegenheit, stundenlanges Afghanistankino genießen zu dürfen.

Beide Talseiten unterscheiden sich in ihren dörflichen Strukturen nicht wesentlich. Beiderseits des Panj, werden die aus den Gletschern und Schneefeldern kommenden Sturzbäche genutzt, Kanäle abgezweigt und zur Bewässerung kleiner Oasen genutzt. Die Dörfer gegenüber sind oft nur durch Eselspfade verbunden, DAS Verkehrsmittel schlechthin auf der anderen Seite. Und während wir auf einer, wenn auch abgrundtief schlechten Straße fahren können, so schlagen gegenüber die Afghanen mit Pickel und Eisen Pfade in die Felsen, um ihre Dörfer demnächst an den Wagenverkehr anschließen zu können.

Die Dörfer sind einfach aber wunderschön. Mit Sicheln wird Grass geerntet, das Heu zu Garben gebunden und mit der Kraxe nach Hause transportiert. Die Felder sind ganz klein und stehen in saftigem Grün.

Und so mäandern wir uns entlang des langen Fadens langsam bergauf, Höhenmeter für Höhenmeter. Immer wieder Stopps zum Sattsehen und Fotografieren.

Am Abend lagern wir am Ufer des Panj knapp unterhalb einer der vier Brücken, die Tajikistan mit seinem Nachbarn verbinden.

Am nächsten Morgen setzt sich die Vorstellung fort. Auf unserer Seite treffen wir zahlreiche europäische Fahrradfahrer mit beeindruckenden Stories, zum Beispiel Emil, der für die nächsten 1,5 Jahre auf dem Sattel durch die Welt fährt. Ihn nehmen wir wegen seiner Magenverstimmung bis nach Khorog mit. Oder Wolfgang und Cora, die von Mannheim bis hierher gefahren sind und noch viel weiter wollen.

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Cora ist aus Bamberg und die Tochter eines früheren Kollegen von mir.

Schließlich erreichen wir bei Ishkashim den Hindukusch, dessen Gipfel die Grenze zu Pakistan markieren. Dazwischen quetscht sich ganz eng der afghanische Wakhan-Korridor, der sich bis nach China gen Osten ausdehnt. Ein gutes Stück werden wir ihm folgen. Aber das wird eine neue Geschichte.

Don’t worry, be happy

2 Wochen sind wir ‚on the road‘ und bereits 7.000 km gefahren. Wir sind sehr glücklich, dass es uns so gut geht und wir bisher ausschließlich schöne Erfahrungen mit den Ländern und Leuten auf unserer Reise machen konnten. – Nichtsdestotrotz gibt es bei solch einem Reiseprojekt natürlich auch immer wieder Nachdenklichkeit und die Erinnerung daran, dass wir nicht über den Brenner an den Gardasee fahren. Natürlich kann auf Reisen – egal welcher Art – immer etwas Unangenehmes passieren, aber die Risiken einer 15.000 km-Tour durch Länder mit komplett anderen politischen Systemen, anderen (medizinischen) Standards, seismologisch und politisch instabilen Regionen (beispielsweise Chorog, Hauptstadt des autonomen Gorno-Badachschan nahe der afghanischen Grenze) sind vielleicht doch nochmal anders gelagert.

So kommen wir nach Dushanbe (Tadschikistan) und hören von der Thyphus-Warnung, die sich auf das Leitungswasser bezieht. Hätte Ulli sich vielleicht doch noch gegen Thyphus impfen lassen sollen? – Beim ‚berüchtigten Essen‘ der Region (=Darmkiller) vertrauen wir auf unsere Vorerfahrungen in Ostanatolien und sind vorsichtig mit dem, was wir zu uns nehmen. Zum Glück haben wir das selbst gebrannte ‚Dr. Roppelts Lebenselixier‘ (Zwetschgenschnaps) dabei: So ein kräftiger Schluck nach jeder Mahlzeit tut manchmal Wunder.

‚Was ist eigentlich, wenn ich im Pamir eine Blinddarmentzündung bekomme‘?, will ich von Hendrik wissen. ‚Da bleibt eigentlich nur eine Notoperation, hab ich schon mal gesehen!‘ Die Antwort beruhigt mich nicht wirklich, aber mit ein bisschen Gottvertrauen wird es schon gut gehen. Schön wäre es auch, wenn wir trotz der tadschikischen Kamikaze-Fahrer auf dem Pamir-Highway in keinen Unfall verwickelt werden. Da brauchen wir ab und an schon eine ganze Armee von Schutzengeln!

Gelassen nehmen wir dagegen die Info auf, dass der Pamirhighway wegen einem Erdrutsch länger geschlossen bleibt (hat sich ein See gebildet), denn zum Glück haben wir ein Extra-Visum für den Wakhan-Korridor. Wir schlängeln uns mit ca. 25 km/h einfach am tadschikisch-afghanischen Grenzfluss auf der Schlaglochpiste bis auf die Hochebene durch und nehmen die vielen Militärkontrollen gerne auf uns. – Nach unserem idyllischen Campen am Grenzfluss zu Afghanistan lesen wir in unserem Reiseführer von einer Minenwarnung und dem Hinweis, hier äußerst vorsichtig zu sein und sich keinesfalls bei Nacht dort aufzuhalten (Schmuggler). Die Ausführungen, wie man sich verhalten soll, wenn man in einem Minenfeld steht, sind auch nicht wirklich hilfreich. Mir fällt daraufhin ein, dass die afghanischen Schüler obligatorisch Minenkunde als Unterrichtsfach haben. Während des Sowjetkriegs in den 1980ern Jahren wurden viele Minen eingesetzt, die vom Grenzfluss oftmals weggeschwemmt wurden und immer mal wider auftauchen können. Also stellen wir uns ab jetzt eher auf die Bergseite! 😉

Und die zwei Böllerschüsse in der Nacht ‚überhören‘ wir einfach mal gelassen – wird schon ein Jägersmann gewesen sein, der eine Marco-Polo-Schaf geschossen hat.

First Contact

Drei Tage führt uns der Weg durch den Wakhan-Korridor nun schon direkt am afghanischen Grenzfluss entlang. Immer wieder beobachten wir sehnsüchtig das afghanische Dorfleben, versuchen auf die andere Seite zum afghanischen Sonntagsmarkt zu gelangen und überlegen uns gar, ob wir uns bei der afghanischen Botschaft in Khorog ein Visum besorgen sollen für eine Stippvisite. Leider alles ohne Erfolg.

So konzentrieren wir uns wieder auf unsere Offroad-Piste und entdecken die Festung Kachkacha aus dem 4. Jahrhundert, deren Befestigungsanlage aus Lehm erstaunlich gut erhalten sind. Zurück am Auto angekommen, hat sich dort in Windeseile ein kleiner Kunsthandwerkstand formatiert und eine Familie empfängt uns sehr herzlich.

Es sind Afghanen, die vor einigen Jahren die Flussseite gewechselt haben und nun in Tadschikistan leben. Wir freuen uns sehr über diesen ‚first contact‘, wie es Kaptain Picard vom Raumschiff Enterprise immer so schön formuliert. Und bevor wir weiter ziehen, wechselt auch noch ein gefilzter Paschtunen-Hut seinen Besitzer.

Khorog

Die 240 Kilometer nach Khorog schaffen wir in 9 Stunden Fahrtzeit. Das Ministädtchen befindet sich auf 2320 m Höhe an der afghanischen Grenze auf der direkten Route von Duschanbe nach Murgab.

Der Ort ist eine autonome Zone und ab und an gibt es kämpferische Auseinandersetzungen. Die Dichte der Militärkontrollen nimmt von daher zu: Immer wieder werden unsere Pass-Daten in die Bücher an den Kontroll-Häuschen eingetragen. Wir nutzen die wohl letzte Möglichkeit, unsere Vorräte für die nächsten 10 Tage aufzufüllen und kaufen auf dem Basar nochmal frisches Obst und Gemüse ein.

Die folgenden Tage sind wir dann als Selbstversorger unterwegs. Eine kleine Sightseeing-Tour rund um Khorog führt uns vorbei am heiligen Fußabdruck von Alis Pferd (Islamischer Missionar), weiter zu einem zoroastrischen Feuertempel, dessen Überreste hoch oben auf einem Felsen zu sehen sind und schließlich zum ersten Auto, das den Pamir durchfahren ist.

Der russische Truck hat einige Ähnlichkeiten mit früheren Modellen des Landrover (Serie 2). Ach ja, da war noch der botanische Garten von Khorog, den wir als zweithöchsten seiner Art in aller Ehrfurcht durchschreiten. Hier gibt es allein 20 verschiedene Aprikosensorten, Maulbeeren, Weißdorn, Sanddorn, 14 verschiedene Apfelbäume, Blumen und Kräuter.

Eselspfade

In den Hochtälern des Wakhan-Korridors sollen sich die Schafe, Ziegen und Kühe auf den Weiden satt fressen. Die Hirten leben in dieser Zeit mit ihrem Vieh in den Jurtenlagern, die sich auf Höhen von 3000-4000 m Höhe befinden und in den Sommermonaten nur über Eselspfade erreichbar sind. Einer dieser Trampelwege sieht besonders verlockend aus und so schnappen wir uns die Trekkingstöcke und laufen los. Schon bei der ersten kleinen Steigung müssen wir einen ‚Gang runter schalten‘, denn – nicht an die Höhe akklimatisiert, kommen wir schnell an unsere Leistungsgrenzen.

Der Pfad schraubt sich an einem Flusstal entlang hoch und bietet traumhafte Panorama-Ausblicke über das Tal. Auf einer kleinen Hochebene pausieren wir nach ca. 1,5 Stunden und wissen, dass wir unser Laufpensum für heute ausgeschöpft haben. Auf einzelnen Felsblocks um uns herum finden wir in den Stein geritzte stilisierte Felszeichnungen von Marco-Polo-Schafen.

Spa in schwindelerregender Höhe

Fatima, die Tochter des Propheten Mohamed und Frau von Ali, ist die Namenspatronin der ‚Heiligen Quelle‘ in Namdgut. Die etwa 40 Grad warme wasserfallartige Quelle wird als eine der schönsten in ganz Tadschikistan beschrieben. Spa in schwindelerregender Höhe – nach tagelanger staubig-trockener Offroad-Piste ein wahrer Traum! – Ob sich das Buddha entgehen ließ, als er das Tal durchschritt? Einen Katzensprung weiter in Vrang führt unser Weg am ‚Fußabdruck Buddhas‘ vorbei, der auf einer Steinpyramide begutachtet werden kann.

Unterhalb entdecken wir die Höhlen, die den Erzählungen nach buddhistischen Mönchen als Zellen dienten. Wer hätte gedacht, dass wir bei unserer Reise auf die Spuren von zahlreichen Religionen und ihren Gründern stoßen? Buddha, Ali (auf ihn berufen sich die schiitischen Muslime), Fatima und immer wieder Spuren von schamanistischen und zoroastrischen Kultstätten. Die Seidenstraße war sicherlich nicht nur eine reine Handelsstraße für Güter. Sie muss auch als Straße für kulturellen Austausch begriffen werden und bot vielerlei Möglichkeiten zur Ausbreitung von religiösen Strömungen.

Gefährliches Blumenfoto

Bei einem kurzen Stopp auf der Hochebene von Langar über den Chargus-Pass (4344 m) entdecke ich entzückende Blumensträucher am Flussufer. Kurzerhand schnappe ich mir den Foto und ziehe los. Die intensiven blauen Blüten in dieser kargen Steinwüste faszinieren mich und so laufe ich von Busch zu Busch, immer am Ufer des Grenzflusses entlang. Wieder zurück am Auto schaut mich Hendrik etwas angespannt an: ‚Hast du denn die Minenwarnung komplett vergessen? Mach so was bitte nicht noch mal, das ist viel zu gefährlich!‘

Und, was soll ich sagen? Ja, ich hatte die Sache mit den Minen total vergessen, auch, dass wir uns nur bergseits bewegen wollten. So unbedarft kann man wohl nur sein, wenn man in einem Land wie Deutschland aufgewachsen ist, das keine solchen Gefahren (mehr) kennt. Danke Schutzengel! Die schönen Blumenfotos werden mich wohl immer an diese heikle Situation erinnern.

Hindukush

Auf der Fahrt entlang des Wakhan-Flusses leuchten uns tagelang die schnebedeckten Gipfel des Hindukusch hinüber. Dieses Gebirge hat seinen Eingang in die Ohren so vieler Deutscher gefunden, seitdem der deutsche Außenminister Struck befand, die deutsche Freiheit sei auch eben an diesem Gebirge zu verteidigen. Dabei liegen Kunduz und Mazar-i-Sharif schon jenseits jener Gebirgskette, die wir nun in langsamen Tempo passieren. Von den schneebedeckten 6- und 7000ern rauschen die Geröll-beladenen Bäche in die Tiefe und breiten ihre kilometerlangen Schuttkegel zu ihren Füßen aus.

An deren Rändern jedoch quetschen sich, von den Gerölllawinen ständig bedroht, kleine Oasen mit Gärten und Pappelreihen. Zäune aus geflochtenem Strauchwerk umgrenzen die handtuchgroßen Parzellen, auf denen Gerste, Kartoffeln und andere anspruchslose Früchte gedeihen.

Pamir

Aus dem All betrachtet bindet das Pamir wie ein Knoten mehrere Gebirge zu einem Speichensystem zusammen. Nach Südost das Karakorum, nach Südwest der Hindukusch, nach Norden das TianShan. Wir steigen aus dem Whakantal auf, verabschieden uns von der Grenze nach Afghanistan und erreichen rasch Höhen über 3000m. Dramatisch ändert sich die Landschaft.

Die grünen Oasen weichen einer Hochgebirgswüste aus nackten Bergen in den buntesten Mineralfarben. Die 7000er heben sich hier kaum von den mickrigen 5000ern mehr ab. Willkommen auf dem Mars.

Hörner, Schafe, Schreine

Mazare (=Heiligtümer) gibt es in Tadschikistan viele. Beispielsweise die sog. Kadamdzoj – dies sind Orte, in denen ein Heiliger einen Fuß- oder Handabdruck hinterlassen hat. Im Vachan-Korridor gibt es etwa den Fußabdruck Buddhas, die meisten Kadamdzoj stehen jedoch in Verbindung mit Ali ibn Abi Talib, Vetter und Schwiegersohn des Propheten Mohammeds.

Heilige Stätten können jedoch auch Quellen sein. Mazare werden aufgesucht, um Wünsche und Bitten über den Geist des mit diesem Ort verbundenen Heiligen an Gott zu richten. Wir entdecken immer wieder solche heiligen Stätten, die mit mehreren Tierköpfen oder Hörnern von Marco-Polo-Schafen geschmückt sind. Nach alter Tradition findet man auch Stoffstreifen in den Bäumen um die heilige Stätte herum, die stellvertretend für die Wünsche der Gläubigen stehen. Viele dieser Bräuche haben ihre Entsprechung im Christentum: Heilige als Fürsprecher, Pilgerorte und Flurkapellen, geweihtes Wasser und vieles mehr.

Marco-Polo-Schaf

‚Halt mal kurz an, das müssen wir uns ansehen!‘ – In einem Steinfeld des Pamir hat Ulli das mächtige Horn eines Marco-Polo-Schafes entdeckt. Nach eingehender Begutachtung wird das schwere Horn auf den Dachgepäckträger gehievt und ziert fortan unseren Landi als Gallionsfigur und Schutzsymbol. – Auf den Hochweiden des Pamir finden wir weitere Hörner, auch von den Yaks. An der heiligen Quelle ‚Eli Su‘ bauen wir einen kleinen Privat-Mazar mit unseren Fundstücken und lassen sie hier an diesem besonderen Ort zurück.

Das Wasserkamel Tjujasu

In der Hochwüste des Pamir bekommt ein Süßwassersee eine ganz besondere Bedeutung. So kämpfen wir uns auf einer kleinen Piste bis zum See durch und werden für die 20 km Schüttelorgie reichlich belohnt.

Der türkisblaue See stellt in dieser Einsamkeit und Stille einen traumhaften Übernachtungsplatz dar. Rund um den See lässt sich so einiges erforschen: eine alte verfallene Karawanserei, die heiße Quelle Issyk Bulak, ein kleiner kalter Geysir, eine Nekropole in dieser Hochwüste, einige Nomadenlager und ein weiterer ‚grüner‘ See, der Yasilkul. Die neu entdeckten Pisten, die wir ausfindig machen, werden wohl demnächst auch in die Open-Street-Map eingespeist und die Kartenlandschaft für den Pamir erweitern. – Auch hier am grünen See wird die Legende von einem Tier erzählt, das im See lebt. Es ist das Kamel namens Tjujasu (Wasserkamel). Es steigt in Vollmondnächten aus dem Wasser um auf den grünen Wiesen um das Wasser herum zu weiden. Pech – bei uns ist gerade Neumond!

Fischteich in der Wüste

Immer wieder tummeln sich die goldbraunen Murmeltiere in den staubig-grauen Flächen der Hochwüste des Pamir, erstarren in ihren Bewegungen oder wieseln frech über die Piste. – Als vor uns ein türkisfarbener Kegel erscheint, glauben wir zunächst an eine Fata-Morgana. Was soll in dieser Steinwüste schon so intensiv leuchten? Es ist doch tatsächlich ein Quelltopf, der einen sehr kleinen und klaren See bildet.

Daneben eine Jurte mit kirgisischen Yak-Nomaden, die uns ein Fischessen anbieten. Wir können nicht widerstehen und – mit gezückter Schnapsflasche (Lebenselixier) lassen wir uns die Delikatesse gut munden. Mehrere Legenden umranken den kleinen heiligen See, genannt ‚weißer Fisch‘ (Akbalik): In der Mitte des Quelltopfes sollen ab und an weiße Fische zu sehen sein, die das Wasser aufsuchen, wenn sie krank sind. Auch die Menschen bringen ihr krankes Vieh zum See und umrunden ihn betend. – Wir lassen der kirgisischen Großfamilie einige Lebensmittel (Vitamintabletten, Kekse u.a.) da und werden mit vielen ‚Spasiba, spasiba‘ (=Danke) verabschiedet.

Zeigebilder für Weltenbummler

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Auf dem Lebensmittelbasar von Murgab möchten wir unsere Basis-Vorräte wieder auffüllen: Brot, Wasser und Milch. Der ‚Bazar‘ besteht aus einer Aneinanderreihung von verrosteten alten Containern und man weiß vor dem Betreten dieser dunklen Kammern nie so recht, was dort drinnen eigentlich gehandelt wird. So treten wir immer wieder etwas zögerlich ein und sind froh, wenn es wirklich ’nur‘ Lebensmittel sind und nicht die in unserer Fantasie erwarteten Waffenlager. – Irgendwie vermissen wir in diesem Ort die vertrauten freundlichen Gesichtszüge der Tadschiken und versuchen einzuschätzen, ob es sich bei den Einwohnern von Murgab um Kirgisen, Chinesen oder Russen handeln könnte. Sprachlich stoßen wir beim Versuch Brot, Wasser und Milch aufzutreiben fast an unsere Grenzen. Milch können wir nach längerem Suchen in der Milch-Yurte ausfindig machen. Es ist jedoch frische Yak-Milch und für unser Müsli am Morgen – sowie für unsere Mägen – nicht so gut geeignet. Das erste Mal auf unserer Reise stoßen wir sprachlich an unsere Grenzen und so zücken wir unser ‚Ohne-Wörter-Büchlein‘ mit den Zeigebildern und deuten auf das Brot-Foto.

Mit dem Wort-Bild kommen wir doch noch ans Ziel und zu unserem Brot. – Murgab ist ein Ort, der uns fremd und wenig zugänglich erscheint. Als dann auch noch der Tankwart mit lustlos-grimmigem Gesicht unseren Tank mit Diesel befüllt, beschließen wir, uns nicht länger hier aufzuhalten und einen Übernachtungsplatz im nächsten Tal zu suchen. Vielleicht haben die Menschen hier wenig Verständnis für Reisende? Vielleicht wird man so ‚eigenbrödlerisch‘, wenn man bei mitunter minus 60 Grad im Winter hier überleben muss? Wir wissen es nicht. Was wir zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht wissen, ist, dass wir in der Nacht etwas unfreiwillig wieder hierher zurückkehren werden.

Nachtfahrt auf dem Pamirhighway

Es ist kalt, wir befinden uns ständig über 4000 Metern und der Sauerstoffmangel macht sich eindeutig bemerkbar und ein aufziehendes Wetter macht eine Übernachtung im Freien nicht ratsam erscheinen lassen. Auf der vergeblichen Suche nach einer geeigneten Campgelegenheit haben wir uns auf einer Piste an die chinesische Grenze verfranst und beschließen, die 50km nach Murghab zurück zu fahren. Zwischenzeitlich ist es Nacht und der ganz junge zunehmende Mond gibt keine Helligkeit. Zeit für die Vollbeleuchtung, die unser Landrover hat. Mit Abblendlicht hat man nicht die geringste Chance, auch nur bei Tempo 40 rechtzeitig die Schlaglöcher zu erkennen, die der Highway für uns vorbereitet hat. Mit Fernlicht und Dachscheinwerfer ist die Ausleuchtung gut genug für Tempo 70. Die tadschikische genormte Straßenverkehrsordnung sieht für Irregularitäten der Straßenführung folgende Verkehrszeichen vor:

  1. Seitlich abgebrochener Straßenrand: Steine längs am Straßenrand.
  2. Schlaglöcher: ausgefahrene Randstreifen (Versuch über Schotter dem Schicksal zu entrinnen)
  3. Komplette Unterbrechung der Straße, zum Beispiel eingestürzte Brücke oder weggespülter Damm: Steine quer über die Fahrbahn.Bei Tempo 70 und Fernlicht ist eine gewisse Reaktionszeit von Nöten, um insbesondere Straßensperrungen rechtzeitig vor der Abbruchkante zu erkennen. So geschehen an jenem stürmischen Abend, als die Straße mit einem 3m tiefen und 10 breiten Graben unterbrochen war, den eine Springflut angerichtet hatte.

Mich würde es brennend interessieren, wie wohl so ein deutscher elektronischer Spurassistent oder Bremsassistent hier wohl funktionieren würde… Meiner funktionierte übrigens ganz ausgezeichnet und saß mit weit aufgerissenen Augen und klammen Händen neben mir auf dem Beifahrersitz :-).

Charme-Hotel in Murghab

Es ist bereits stockdunkel, als wir in der Nacht das einzige Hotel in Murgab erreichen. Nach mehreren gescheiterten Versuchen, einen ‚wilden‘ Übernachtungsplatz zu finden, bleibt uns nun keine andere Wahl mehr.

Das Hotel hat einen ganz besonderen Charme: Neben zwei komatösen Europäern, die wegen ihrer Höhenkrankheit kaum ansprechbar im Foyer auf dem Sofa liegen, scheint es hier vor allem muskelbepackte paramilitärisch gekleidete Männer zu geben, die man sich in jedem russischen Mafia-Casino als Türsteher vorstellen kann. Der Umgangston ist eher kumpelhaft, laut und rau. Dem Sprachklang nach ordnen wir die meisten Hotelgäste als Russen und Chinesen ein – den Fahrzeugen nach zu urteilen möglicherweise LKW-Fahrer oder andere Handelsreisende. Ein bisschen fühlen wir uns wie in einer Kaserne, wären da nicht die freundlichen kirgisischen Damen an der Rezeption, die uns unser Zimmer zuweisen. Die Wasserspender-Konstruktion dort ist der Idee einer Toilettenspülung nachempfunden und die gemischten Duschen hat Ulli an diesem Abend doch glatt verschmäht.

Wir sind trotzdem sehr froh, dass wir noch ein Plätzchen für die Nacht gefunden haben, kochen uns auf dem Zimmer eine gute deutsche Linsensuppe und sind kaum erstaunt, als die Stille und die Dunkelheit andeutet, dass es ohne Generator in der Nacht auch keinen Strom bzw. Licht gibt.

Zwischen Anstrengung und Faszination


Wir halten uns seit über einer Woche in der Hochwüste des Pamir in Höhenlagen zwischen 4000 – 47000 m auf. Das geht nicht spurlos an uns vorbei. Mit reichlich Sahara-Erfahrung wissen wir beide, was der Körper in dieser massiven Trockenheit der Steinwüste braucht: viel Fett für Nase und Mund gegen das Aufplatzen der Lippen, Nasenspray zum Abschwellen für die Nacht, viel Wasser, schützende Kleidung und eine gute Kopfbedeckung gegen die Sonneneinstrahlung.

Nun kommen auch noch die Symptome dazu, die diese Höhe verursacht, als ‚Höhenkrankheit‘ in verschiedenen Ausprägungen bekannt. Auch hier können wir von unseren Erfahrungen im Himalaya profitieren: langsame Akklimatisierung an die Höhe, viel Flüssigkeitszufuhr, möglichst keine Übernachtung über 4000 m und die körperlichen Symptome im Blick behalten. Sollten sich die Symptome der Höhenkrankheit ausweiten, dann gibt es kein Gegenmittel, außer: schnellstens in tiefere Gefielde wechseln – auf dem Pamir-Highway eine Sache von mindestens 2-3 Tagen (mit dem Auto).

Die Höhe macht sich bei uns durch Kopf- und Ohrenschmerzen, durch leichten Schwindel, einen Druck auf den Lungen und ein dauerndes flaues Gefühl in der Magengegend bemerkbar. Zusammen mit dem trockenen Hochwüstenklima und täglichen Temperaturschwankungen von ca. 30 Grad ist dies eine enorme Belastung für den Körper. –

Doch kaum ist der nächste See, die vielversprechende Piste, Nomadendörfer und Schreine, Hörner, Nekropolen und die Schneekuppen der 7000er erspäht, vergessen wir die körperliche Herausforderung und stürzen uns ins nächste Pamirabenteuer – immer pendelnd zwischen Anstrengung und Faszination. Mal sehen, wie lange wir das durchhalten.

Dünne Luft an der chinesischen Grenze

So langsam geht uns die Puste aus. Wir haben den Pamir kreuz und quer durchfahren und unzählige Täler und Pisten erforscht. Die extreme Höhe macht uns zunehmend zu schaffen und wir merken, dass das Schlafen auf über 4000 m keine körperliche Erholung mehr bringt. So beschließen wir, die Pamir-Hochwüste zu verlassen. Da nicht sicher ist, ob der ursprünglich geplante Weg über kleine Pisten zurück nach Khorog befahrbar ist und uns diese Variante zudem zu lange dauert, entscheiden wir, über Kirgistan zurück nach Samarkand zu fahren.

Kaum haben wir Murgab verlassen, werden wir von zwei Radlern angehalten, die völlig erschöpft am Straßenrand stehen. Arthur und Lucas aus Polen empfangen uns mit den Worten: ‚We have no more energy! Please take us to Kirgistan!‘ Die beiden haben sich wohl konditionell etwas verschätzt (was in dieser Höhe und mit diesen Straßenverhältnissen kein Wunder ist). So laden wir die beiden Fahrräder aufs Dach und packen die beiden ein. Neben uns kilometerlang die chinesische Grenze. Wir haben unseren östlichsten Weg-Point erreicht!

Dicke Luft auf dem Pass

Die beiden letzten Pässe (ca. 4600 m) vor der Grenze zu Kirgistan sind sowohl für den Landi, als auch für unsere armen Lungen nochmal eine Herausforderung. Arthur berichtet, dass hier am Pass am Vortag ein Autofahrer von einem ‚Mann mit Kalaschnikov‘ gestoppt wurde, der Geld erpressen wollte. Mit seiner Schusswaffe in der Hand hatte dieser natürlich die besseren Argumente! ;-(

Auf der zweiten Passhöhe erwartet uns der tadschikisch-kirgisische Grenzposten im Niemandsland. Hier oben Dienst zu schieben könnte fast einer Strafversetzung gleichkommen: ein windiger Minicontainer, ein durchgerosteter klappriger Ofen glüht vor sich hin, zwei durch gelegene Pritschen und am Tag vielleicht 5 Autos, die die Grenze passieren möchten.

Wir freuen uns auf die Abfahrt in tiefere Gefilde und sausen hinein in die Hoch-Ebene von Kirgistan. Als um uns herum die ersten grünen Wiesen auftauchen und der Höhenmesser des Navi kontinuierlich sinkt, fühlen wir uns bereits merklich wohler und suchen uns ein schönes Plätzchen im Grünen mit Blick auf die schneebedeckten Kuppen des Pik Lenin (7100 m).

Kirgistan – Land des stolzen Reitervolkes

Nach der Hochwüste des Pamir erleben wir das Alay-Tal in Kirgistan wie eine große Oase: Paprika, Kartoffeln, Zwiebeln, Trauben, Aprikosen, Äpfel und Melonen werden hier angebaut und am Wegesrand zum Kauf angeboten. Über der fruchtbaren Ebene thront majestätisch der Pik Lenin, ein schneeweiß strahlender Siebentausender.

In den Tälern um unseren kleinen privaten ‚Campingplatz‘ stehen einige Jurten, in denen sich lebendiges Dorfleben abspielt: an öffentlichen Brunnen und Wasserstellen wird Trinkwasser geschöpft, das in großen Kanistern auf Eseln zu den Dörfern transportiert wird. Es sind meist Kinder, die diese Arbeit gewissenhaft erledigen. Um die Jurten herum kirgisische Pferde, die ein wunderbar freies ‚Pferdeleben‘ in der Herde führen. Wir treffen auch immer wieder auf Reiter, die mit ihrem traditionellen Filzhut bestückt auf dem Pferd reitend an uns vorbei kommen und etwas sehr würdevolles und stolzes ausstrahlen. Bereits Jugendliche galoppieren – wie verschmolzen mit dem Pferd – über die Wiesen, das Führungsseil locker in der Hand, am Sattel ein Lasso. Die Gesichtszüge der Kirgisen unterscheiden sich merklich von dem, was wir bisher als typisch usbekisch oder tadschikisch wahrgenommen haben. Vor allem die breiteren Gesichter und die Augenpartie lässt uns an China denken. Auch der Kleidungsstil hebt sich auffallend von der tadschikischen Mode ab. Es freut uns, dass die Sprache hier wesentlich mehr türkische Anteile hat und wir uns wieder etwas mehr artikulieren können. Kirgistan, dieses Land hat uns sofort in seinen Bann gezogen. Und bereits nach der ersten Nacht – bei einem Temperaturabfall auf 2 Grad – haben wir uns wieder etwas regeneriert.